Der Zusammenbruch des kommunistischen Regimes in Belgrad war blutig und zog eine Spur der Verwüstung hinter sich nach. Slowenien und Kroatien waren die ersten beiden ehemaligen Teilrepubliken, die sich von der serbischen Vormacht lösten und unabhängig wurden. Mit dem Vertrag von Dayton konnte 1995 das Morden in Bosnien beendet werden, das Europa und die gesamte zivilisierte Welt über Jahre hinweg in Atem gehalten hatte. Die Vertreibungen aus dem Kosovo wenige Jahre später lösten bei vielen Donauschwaben schmerzhafte Erinnerungen aus. Erst unter dem Eindruck dieses Flüchtlingselends bekundete die internationale Staatengemeinschaft ihre Bereitschaft, dem Treiben des Regimes um Präsident Slobodan Milošević ein Ende zu bereiten. In Kroatien bemühte man sich indessen, das Land nach demokratischen und marktwirtschaftlichen Vorgaben umzukrempeln, was freilich nicht über Nacht und ohne empfindliche Einschnitte in den Brieftaschen der kroatischen Bevölkerung bewerkstelligt werden konnte. Dem staatlichen Sozialismus folgten Parteienpluralismus, freie Medien, Gewaltenteilung und die Rückgabe des ehemals kollektivierten Grundbesitzes. Das kroatische Restitutionsgesetz sah jedoch nur die Rückgabe an Personen mit kroatischer Staatsbürgerschaft vor. Diese Bestimmung rief bei ausländischen Staatsbürgern mit kroatischer Abstammung Protest hervor. Sie fühlten sich aufgrund der Ablehnung ihrer Anträge diskriminiert und brachten die Angelegenheit schließlich vor das kroatische Verfassungsgericht.
Am 21. April 1999 forderte das kroatische Verfassungsgericht eine Novelle des Entschädigungsgesetzes, um zu garantieren, dass auch ausländische physische und juristische Personen einen Anspruch auf Restitution bzw. Entschädigung geltend machen können. Das Entschädigungsgesetz wurde dann am 5. Juli 2002 novelliert. Durch die Novelle rückten auch jene Donauschwaben, die bis zur Vertreibung auf kroatischem Staatsgebiet gelebt hatten, in den Kreis der restitutions- bzw. entschädigungsberechtigten Personen.
Als Voraussetzung verlangte die Republik Kroatien jedoch den Abschluss von zwischenstaatlichen Vereinbarungen. Während sich das deutsche Außenministerium damals unter Führung von Joschka Fischer - selbst donauschwäbischer Abstammung! - gegen eine Aufnahme von Vermögensverhandlungen mit Agram aussprach, wurde das österreichische Außenministerium auf Grund positiver Interventionen der DAG aktiv. Die im Juni 2003 mit Kroatien begonnen Verhandlungen konnten im April 2005 abgeschlossen werden.
Schon am 22. November 2005 wurde ein entsprechender Verhandlungstext paraphiert. Das bilaterale Abkommen mit Kroatien beinhaltete folgende Bestimmungen:
- Gleichstellung österreichischer Staatsbürger mit kroatischen Staatsangehörigen in Restitutions- und Entschädigungsfragen (Ausländergleichbehandlung)
- Anerkennung der gesetzlichen Erben der ersten Erbfolge (Erbenregelung)
- Ausgenommen von der Restitution sind nur jene Personen, die bereits eine Entschädigung erhielten oder dazu berechtigt waren
Das paraphierte Abkommen sollte vor dem Inkrafttreten von den beiden Regierungen in Wien und Agram genehmigt und von den Parlamenten ratifiziert werden. Während die österreichische Regierung das Abkommen am 6. Dezember 2005 genehmigte, gab es in Kroatien indessen eine neue Entwicklung. Staatspräsident Stipe Mesić warnte vor einer Ratifizierung des Abkommens mit Österreich und begann mit altbekannten Stereotypen zu argumentieren. Plötzlich sahen sich die Donauschwaben wieder in die Rolle der Alt-Nazis gedrängt, die sich auf die Seite Hitlers geschlagen hatten. Unbestätigten Pressemeldungen zufolge soll sich der tschechische Staatspräsident Vaclav Klaus an Mesić gewandt und eindringlich vor einem Präzedenzfall gewarnt haben. In Tschechien sind die vertriebenen Sudetendeutschen nach wie vor von der Restitutionsgesetzgebung ausgeschlossen. Kroatiens Ministerpräsident Ivo Sanader befürchtete eine Abstimmungsniederlage im Sabor und zog das Abkommen mit Österreich zurück.
Die Republik Kroatien überlegt sich seither eine neuerliche Novelle, die allen früheren Eigentümern unabhängig von deren Staatsangehörigkeit und unabhängig von bilateralen Abkommen ein automatisches Antragsrecht zuerkennen soll. Diese Novelle gibt es aber bis heute noch nicht. Die Entwicklung in Serbien ist ähnlich komplex und erfordert ebenfalls einen langen Atem. Für die DAG gelten nach wie vor die in Maria Theresiopel verabschiedete Resolution und der Grundsatz der Gleichbehandlung. Ein erster wichtiger Schritt wurde vom serbischen Gesetzgeber am 31. Mai 2005 mit der Verabschiedung eines „Gesetzes über die Anmeldung und die Evidenz von enteignetem Vermögen“ (Anmeldegesetz) unternommen. Die DAG startete damals gemeinsam mit dem österreichischen Außenministerium eine Informationskampagne und riet allen Betroffenen, ihre Vermögensverluste unbedingt anzumelden, um später bei einer möglichen Restitution berücksichtigt zu werden. Das österreichische Außenministerium nannte außerdem Vertrauensanwälte in Serbien, die von den Betroffenen konsultiert werden konnten. Die DAG nahm in der kroatisch-serbischen Restitutionsagenda auch mit dem österreichischen Bundespräsidenten Heinz Fischer Kontakt auf. Wie Fischer in einem Antwortschreiben vom 9. Juli 2009 an die DAG mitteilte, wird dieses Thema vom zuständigen Außenminister bei Gesprächen mit Kroatien und Serbien „immer wieder angesprochen“ und soll auch künftig „ein wichtiger Punkt auf der bilateralen Agenda bleiben.“ Fischer versicherte der DAG, dass Österreich „auf eine nicht diskriminierende Vorgangsweise“ besteht und sowohl Kroatien wie auch Serbien „den heutigen internationalen und europäischen Standards bestmöglich“ entsprechen müssen.83
Mehr zu den aktuellen Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Thema Restitution in Kroatien und Serbien erfahren Sie auf dieser Website unter den Links Restitution und Pressedienst der DAG.
83 Schreiben Heinz Fischer an DAG vom 9. Juli 2009.