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Haus der Heimat, Wien

Donauschwäbische Arbeitsgemeinschaft in Österreich (DAG)

Was tun mit den Flüchtlingen?

Dass Österreich 1945 den Heimatvertriebenen und den Displaced Persons (DPs), wie man die NS-Zwangsarbeiter bezeichnete, nur eine begrenzte Hilfe anbieten konnte, geht aus den Stellungnahmen österreichischer Behörden hervor. So veröffentlichte die Abteilung 12 im österreichischen Innenministerium am 20. Oktober 1945 ein Grundsatzpapier zur Mitwirkung der Alliierten in der Flüchtlingsfrage, in dem der Transport von Flüchtlingen aus den Nachbarländern auf österreichisches Staatsgebiet kritisiert und eine sofortige Einstellung eingefordert wurde: Immer wieder werden Züge mit volksdeutschen Flüchtlingen von den Besatzungsmächten und zwar hauptsächlich von der Roten Armee nach Österreich gebracht. Die Alliierten wären zu ersuchen, in Hinkunft davon abzusehen und Flüchtlinge über österreichisches Gebiet in ein anderes Land nur dann zu bringen, wenn kein anderer Weg möglich und die Aufnahme der Flüchtlinge im Bestimmungsland gesichert ist. Der Durchtransport solcher Flüchtlinge soll nur in geschlossenen, militärisch bewachten Zügen ohne Aussteigen in Österreich erfolgen, wobei die Verpflegung seitens der den Zug führenden alliierten Macht zu besorgen wäre. Wenn ein Aufenthalt in Österreich unbedingt notwendig ist, wären die durchzutransportierenden Flüchtlinge in einem Lager (Wiener Neudorf) unterzubringen und von den Alliierten zu bewachen und zu verpflegen.6


Für die österreichische Bundesregierung war die Situation schwierig, weil das Abkommen mit der Alliierten Kommission vom 28. Juni 1946 ein rasches Handeln österreichischer Stellen unmöglich machte. Nach Artikel 5, Absatz 5 des Abkommens fielen nämlich „Betreuung und Abtransport von Kriegsgefangenen und Versetzten Personen sowie Ausübung der rechtlichen Gewalt über dieselben“ 7 in die Kompetenz der Alliierten Kommission. Die Alliierten erkannten die Belastung von 1,6 Millionen Flüchtlingen, Heimatvertriebenen und DPs für Österreich und arbeiteten an Konzepten zur Rückführung der Betroffenen in ihre Heimatländer. Diese Maßnahmen erschienen der österreichischen Regierung geeignet, das Problem der Heimatvertriebenen rasch zu lösen. Wien berief sich auf Artikel XIII des Potsdamer Protokolls, in dem Anfang August 1945 die Überführung der Deutschen aus Polen, Ungarn und der Tschechoslowakei lediglich nach Deutschland und nicht nach Österreich beschlossen worden war. Das Innenministerium verlangte daher von den Alliierten den „Abtransport der Flüchtlinge und sonstiger Ausländer aus Österreich vor Einbruch des Winters“, da „Österreich nicht über genügende Transportmittel samt Kohle bzw. Treibstoff“ verfügte und sich außerstande sah, „die nötige militärische Begleitmannschaft und zwar für einen die Grenze überschreitenden Verkehr zur Verfügung zu stellen.“ Die Alliierten bestimmten die Repatriierung folgender Personengruppen aus Österreich nach Deutschland: Reichsdeutsche und Volksdeutsche einschließlich der Sudetendeutschen und sonstige Fremdnationale, die nach dem 13. März 1938 nach Österreich gekommen sind, wären schleunigst aus Österreich abzutransportieren, wobei insbesondere die Flüchtlingslager in Wien wegen der großen Seuchengefahr sofort freizumachen wären.8


Die Haltung Österreichs zur Not der Heimatvertriebenen war ein Spiegelbild der sozialen Misere und wirtschaftlichen Depression in der Nachkriegsära. Man war sich einig, den sozialen Frieden zu wahren, um künftig Bürgerkrieg und Diktatur von Österreich fern zu halten. Dieses Ziel konnte aber nur über eine nachhaltige Stabilisierung der Gesellschaft, der Innenpolitik und der Wirtschaft erreicht werden. Es galt den Verantwortlichen, ein österreichisches Identitätsbewusstsein zu fördern, das an die österreichische Geschichte vor 1938 anknüpfen und die österreichischen Traditionen in Kultur, Kunst und Wissenschaft unterstreichen sollte. Dieser Prozess implizierte eine radikale Verdrängung der NS-Zeit, schuf eine österreichische Opfermentalität und begann, die dynastische Geschichte Österreichs heroisch zu verklären. Die Heimatvertriebenen passten nicht in dieses Bild, das die Österreicher über sich und ihre Geschichte zu zeichnen begannen. In den Volksdeutschen sah man ehemalige Nazis, die sich Hitler um den Hals geworfen und schon in der Zwischenkriegszeit für ständigen Konflikt gesorgt hatten. Dass auch die Österreicher den Nazis lauthals zugejubelt hatten, ließ man jetzt unter den Tisch fallen. Kaum ein Wort drückte die negative Stimmung gegen die Sudetendeutschen besser aus als das von Außenminister Karl Gruber. Gruber zeigte sich unberührt von den Schrecken der Vertreibungen, ignorierte Mord und Totschlag, als er 1946 in Prag zur damaligen tschechoslowakischen Staatsspitze meinte:


Es waren Leute, die Ihnen immer Schwierigkeiten bereitet haben und sie jedem bereiten würden. Es ist natürlich, dass Sie sie loswerden wollen. Ich versichere Ihnen, dass ich und unsere gesamte Regierung dieses Problem in gleicher Weise beurteilen.9


6 Dokument Faksimile Privatbesitz Wassertheurer

7 Erwin Machunze, Vom Rechtlosen zum Gleichberechtigten. Die Flüchtlings- und Vertriebenenfrage im Wiener Parlament. Die Gesetzgebungsperiode (1945-1949). Bd. 1. Salzburg 1974, S. 22.

8 Dokument Faksimile Privatbesitz Wassertheurer

9 zit. bei Oliver Rathkolb, Verdrängung und Instrumentalisierung. Die Vertreibung der Sudetendeutschen und ihre verspätete Rezeption in Österreich. in: Barbara Coudenhove-Kalergi - Oliver Rathkolb (Hg.), Die Beneš-Dekrete. Wien 2002, S. 140.





Leere in den Gesichtern der Menschen, leer der Raum, leer das Land und die Heimat. Foto: © BSGL Design

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