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Haus der Heimat, Wien

Donauschwäbische Arbeitsgemeinschaft in Österreich (DAG)

Aufklärung und Öffentlichkeitsarbeit

Die volksdeutschen Heimatvertriebenen litten bereits zum Zeitpunkt ihrer Ankunft in Österreich unter einer Reihe von negativ besetzten Vorurteilen, die sie kollektiv zu Handlangern des NS-Imperialismus abstempelte. Man braucht sich nur die Parlamentsprotokolle der Jahre 1945/46 vor Augen halten, um diese Feststellung mit Wortmeldungen österreichischer Abgeordneter zu untermauern. Ernst Fischer von den österreichischen Kommunisten (KPÖ) verlangte im österreichischen Nationalrat, dass wenigstens gleichzeitig mehr als die 300.000 „Displaced Persons“, diese höchst unerwünschten Ausländer, aus Österreich entfernt werden. Ich halte diese Frage für eine sehr ernste Frage, und es könnte eine tragische Situation entstehen, wenn mehr als 300.000 entwurzelte Existenzlose, ein Großteil sind ja Faschisten, in Österreich bleiben, die die ganze Zeit nicht gearbeitet haben, die sich dem Schleichhandel und Raubüberfällen widmen und zum Teil Waffen in den Händen haben. Ich glaube nicht, dass wir imstande sind, diese Elemente zu assimilieren.74


In das gleiche Horn stieß auch der SPÖ-Abgeordnete Edmund Aigner, der am 6. Dezember 1946 die Heimatvertriebenen zur Fünften Kolonne Hitlers erklärte und damit eine Meinung vertrat, die den Vertreiberstaaten damals wie heute als Rechtfertigung für Mord und Totschlag, Raub, Enteignung und Vertreibung diente: Nach den Potsdamer Beschlüssen sind die Volksdeutschen aus der Tschechoslowakei, Polen und Ungarn in Deutschland anzusiedeln, die Volksdeutschen aus dem Banat, Rumänien, aus der Bukowina und aus dem Baltikum sollen in Österreich eine neue Heimat finden. Es wird gewiss niemanden unter uns geben, dem nicht das traurige Schicksal der aus ihren durch Jahrhunderte bewohnten Gebieten Ausgewiesenen nahe geht. Aber jeder Einzelne von uns wird auch sagen müssen, dass jene Menschen, die das Gastrecht eines Landes in Anspruch nehmen, sich auch so aufzuführen haben, dass sie dieses Gastrechtes würdig sind. Ich bringe in Erinnerung, dass wir auch nach dem Ersten Weltkrieg verschiedene Menschen aus deutschsprachigen Gebieten der Nachfolgestaaten in Österreich aufnahmen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass gerade diese Elemente die ersten Propagandisten Hitlers in Österreich gewesen sind.75


Anfang 1950 referierte Ministerialrat Just aus dem österreichischen Innenministerium über Die Probleme Österreichs und hob dabei in patriotischer Beamtenmanier die Leistungen Österreichs hervor, die seit 1945 für die Heimatvertriebenen erbracht werden konnten. Wien konnte nach Just bei der volksdeutschen Frage dem Staatsvertrag nicht vorgreifen und hatte „andere triftige Gründe“, keine nachhaltigen Verpflichtungen für die Heimatvertriebenen zu übernehmen. Das Argument, das Just dazu lieferte, war kennzeichnend für die skeptische Haltung der österreichischen Politik den Volksdeutschen gegenüber: Es ist kein Geheimnis, dass die Volksdeutschen von den Staaten, aus denen sie ausgewiesen wurden, des Irredentismus und Faschismus beschuldigt werden (...) Gegenwärtig werden, glaube ich, nur die Mitglieder der so genannten Zentralberatungsstelle der Volksdeutschen von gewisser Seite als Faschisten bezeichnet.76


Die politische Realität sah freilich anders aus. Wann immer die österreichische Außenpolitik die Heimatvertriebenen als Partner mit ins Boot holte, konnte sich Österreich auf sie verlassen und auf ihre Solidarität und Loyalität zählen. Die volksdeutschen Heimatvertriebenen hatten in Österreich weder auf der Straße randaliert noch irgendwelche Gewalttaten verübt. Dort, wo heute in Paris oder in deutschen Großstädten Autos in Flammen aufgehen, Geschäfte zertrümmert werden oder Molotow Cocktails durch die Luft fliegen, vertraten die Heimatvertriebenen ihre Anliegen stets ruhig und sachlich am Verhandlungstisch. Als Jugoslawiens Staatspräsident Tito 1967 zu einem Staatsbesuch nach Wien kam, hatte man sich in der DAG darauf geeinigt, keine öffentlichen Störaktionen zu unternehmen. Man begnügte sich mit einer Erklärung, in der die DAG dafür Verständnis zeigte, dass die Bundesregierung bemüht war, die Beziehungen zu den Nachbarstaaten auch in Ost-Mitteleuropa, mit deren Völkern Österreich eine jahrhundertealte Geschichte verbindet, zu verbessern.” Auch wenn die Donauschwaben damals von öffentlichen Kundgebungen Abstand nahmen, verwies man auf die Tatsache, dass sie in Jugoslawien zu Unrecht in ihrer Gesamtheit mit der Hypothek einer Kollektivschuld belastet wurden und ihnen auch noch nach Kriegsende durch Vertreibung, Internierung und Vermögensenteignung unersetzliche menschliche und größte materielle Verluste zugefügt wurden.


Die aus Jugoslawien stammenden österreichischen Neubürger sind keine Revanchisten. Sie erwarten daher, dass der jugoslawische Standpunkt der ganzen Gruppe gegenüber revidiert und ihnen von dieser Seite Gerechtigkeit zuteil wird. Wenn sie von Protestkundgebungen anlässlich des Besuches von Staatspräsident Tito absehen, so wollen sie damit einen Beitrag zur Entspannung leisten und so den Boden für künftige Gespräche über offene Fragen ebnen helfen.


In diesen Worten kam das zum Ausdruck, was die Donauschwaben eigentlich wollten: Gerechtigkeit und eine faire Entschädigung. Beides sollte nicht mit Gewalt sondern im offenen Dialog erreicht werden. Das hieß aber keinesfalls, das Unrecht der Vertreibung zu tolerieren. Reimann machte das bei der Ausschusssitzung der DAG vom 10. Juli 1965 klar, in der er über eine Vorsprache berichtete, die er im österreichischen Parlament zur Frage der Rehabilitierung geführt hatte. Reimann erklärte, dass die DAG „alle geeignet erscheinenden Schritte gegen [eine] Diskriminierung durch die Vertreiberstaaten unternehmen werde.“77


Die Stereotypisierung der Volksdeutschen nach dem Muster antifaschistischer Dogmen wurde aber in Österreich von bestimmten Gruppen auch in den 1970er und 1980er Jahre sorgsam gepflegt und kam überall dort zum Vorschein, wo es, gewollt oder ungewollte, direkt oder indirekt, mit den kommunistischen Nachbarn zu Reibereien kam. Die Anlässe zur Entladung solcher antifaschistischer Reflexe in Richtung der volksdeutschen Heimatvertriebenen bildeten Konflikte aus längst vergangenen Epochen. Als etwa in Kärnten 1973 der Ortstafelkonflikt eskalierte, war ein solcher für Karel Smolle, damals Sekretär des „Volksrates der Kärntner Slowenen“, schnell gefunden. Er beschuldigte die Republik Österreich in einem im Naš tednik veröffentlichten Beitrag, die Symptome der „Kärntner Krankheit, der Intoleranz und de(n) Hass der [slowenischen, Anm. d. Verf.] Minderheit gegenüber“ bewusst zu tolerieren.


Smolle koppelte dann die Vertreibung der deutschen Bevölkerungsgruppen aus Jugoslawien an die Thematik der zweisprachigen Ortstafeln und bezeichnete die Vertreibung als „verdient“, wobei er die deutschen Volksgruppen für den Einfall Hitlers in Jugoslawien verantwortlich machte. Sie waren für Smolle die eigentlichen „Wegbereiter“ für Hitlers Ausbreitung auf dem Balkan und in ganz Südosteuropa.78


Die DAG zeigte sich ob solcher Vorwürfe und Diffamierungen entrüstet und behandelte diesen Affront nach dem Protokoll vom 19. Mai 1973 ausführlich. Die Donauschaben in Kärnten verlasen eine Erklärung gegen die Ausführungen Smolles und ließen diese auch nach interner Besprechung den österreichischen Medien zukommen. Darin verwehrte man sich gegen derartige pauschale Angriffe und erinnerte Smolle an die Gräuel jenes Regimes, das den Donauschwaben, Gottscheern und Deutsch-Untersteirern die verdiente Strafe hatte angedeihen lassen. In der Entgegnung hieß es:


Wir Heimatvertriebenen haben trotz des uns angetanen Unrechts in der Charta der volksdeutschen Heimatvertriebenen schon früh jeglichen Gedanken an Rache und Vergeltung abgeschworen.

Auch aus dem nunmehrigen Ortstafelstreit in Kärnten haben wir uns heraushalten, obwohl wir oft dazu gedrängt wurden, zu den zynischen Äußerungen, die einige Repräsentanten Jugoslawiens anlässlich des Ortstafelkonflikts von sich geben, Stellung zu nehmen und daran zu erinnern, wie Jugoslawien seine deutschsprachige Minderheit zwischen den beiden Weltkriegen behandelte. Mit der Übernahme der Staatsgewalt in Jugoslawien durch die Kommunisten wurden die Deutschen in ihrer Gesamtheit, also auch Frauen und Kinder, von ihren Wohnstätten ohne Grund und mit Gewalt vertrieben. Dabei spielte die Gesinnung keine Rolle. Es wurde ihnen alles weggenommen und nur soviel am Leibe gelassen, dass sie nicht nackt geblieben sind. Man hatte damals 300.000 Menschen familienmäßig auseinandergerissen und bis zum Jahre 1948 willkürlich in Internierungslagern zusammengetrieben. In den jugoslawischen Liquidierungslagern haben mehr volksdeutsche Männer, Frauen und Kinder den Tod gefunden, als es Kärntner Slowenen überhaupt gibt. Und dies in einer Zeit, da es keinen Krieg mehr gab. Diese Untat und die Vertreibung bezeichnet Smolle als verdient. Das ist ebenso ungeheuerlich wie die Behauptung, die Heimatvertriebenen seien finanziell reichlich entschädigt worden! Bekanntlich erhielten sie nach dem Bad Kreuznacher Abkommen (nicht von Jugoslawien!) lediglich geringfügige Leistungen für den verlorenen Hausrat und das Berufsinventar (durchschnittlich etwa S 8.000.-).

Wenn es viele von ihnen in der neuen Heimat doch wieder zu wirtschaftlichem Erfolg gebracht haben, dann mit dem gleichen Fleiß und den gleichen Anstrengungen, mit denen schon ihre Vorfahren weite Landstriche im Südosten, die vorher versumpft, bewaldet oder von der Türkenbelagerung verheert waren, kultiviert hatten.79

Um gegen solche Angriffe gerüstete zu sein, war die eigene Pressearbeit wichtig. Im Mai 1948 wurde in Salzburg die Wochenschrift Neuland als Heimatblatt der Donauschwaben gegründet und war unter der redaktionellen Leitung von Leopold Rohrbacher, Adalbert Karl Gauß und Nikolaus Engelmann mehr als 30 Jahre Verbindungsglied der Donauschwaben in 31 Länder auf vier Kontinenten der Erde. Dort konnte man sich zur Wehr setzen.


74 Machunze, Vom Rechtlosen zum Gleichberechtigten. Bd.1, S. 31.

75 Ebenda, S. 38-42.


76 Text als Faksimile unter Beilage 4, Privatarchiv Wassertheurer, DS-Ö/1950-Just.

77 Protokoll der Ausschusssitzung der DAG vom 10. Juli 1965, S. 6.


78 Naš tednik, Nr. 9, Ausgabe vom 1. März 1973.

79 „Die Donauschwaben antworten auf Smolles Anschuldigungen“, Beilage zum Protokoll der DAG vom 19. Mai 1973.




Bild: Oskar Sommerfeld - „Donauschwäbischer Weltenbrand“

Der Donauschwabe als Bauer, der mit Pflug in der Hand aus Sümpfen Kulturboden schafft

Weiterführende Links:


Die ersten Schritte auf dem Wege zur Gleichstellung

Staatsbürgerschaft und Staatsvertrag

Weg aus Österreich oder „Raus aus den Lagern“

Der deutsche Lastenausgleich und der Weg zum Kreuznacher Abkommen

Das neue Europa entsteht


Arbeitsbereich bis zur Wende von 1989/90