Die Haltung der österreichischen Parteien zu den Heimatvertriebenen war 1945/46 sehr ambivalent, schwankte je nach ideologischer Ausrichtung zwischen Verständnis und Ablehnung und war von den immensen Schwierigkeiten überschattet, die eine umgehende Betreuung der Heimatvertriebenen mit sich brachte. Nach den Repatriierungen von 1946 setzte eine zweite Flüchtlingswelle von Donauschwaben aus den jugoslawischen Lagern ein, die über Rumänien und Ungarn nach Österreich kamen. Dort hatte das Regime mit der Räumung der Lager begonnen und die Donauschwaben nicht länger an der Flucht gehindert. Man wollte sie so am schnellsten und billigsten los werden. Die Zahl der zwischen Herbst 1945 und den Herbst- und Wintermonaten 1947 nach Österreich geflüchteten Volksdeutschen betrug nach Angaben des österreichischen Innenministeriums mindestens 200.000. Der volksdeutsche Bevölkerungsanteil näherte sich 1947/48 wieder dem Nachkriegsniveau. Nach dem Vatikanischen Auswanderungsbüro lebten mit Stichtag vom 1. Oktober 1948 exakt 328.798 Volksdeutsche in Österreich, die sich auf die einzelnen Bundesländer nach nebenstehendem Schlüssel (siehe Grafik) verteilten.
Wie aber sollte eine Lösung aussehen? Repatriierungen kamen wegen überfüllter Lager in Deutschland nicht mehr in Frage. Die Rückkehr in die Heimatländer war unmöglich geworden. Eine endgültige Lösung war für Österreich nur über die Einbürgerung zu erreichen. Wie sahen dazu aber die rechtlichen Voraussetzungen aus? Im österreichischen Staatsbürgerschaftsgesetz von 1945 wurden in der Fassung BGBl. 53/194615 die Bedingungen für einen Erwerb folgendermaßen geregelt. Das betraf auch die Heimatvertriebenen:
- Verehelichung mit einem/-r österreichischen Staatsbürger/-in
- ständiger ordentlicher Wohnsitz in Österreich im Zeitraum der letzten vier Jahre
- ständiger und freiwilliger Aufenthalt auf österreichischem Staatsgebiet seit dem 1. Jänner 1915
- freiwilliger und ununterbrochener Aufenthalt auf österreichischem Staatsgebiet in den letzten 10 Jahren
- Ausübung eines öffentlichen Lehramts an einer österreichischen Hochschule
- Keine Nachteile für die Republik Österreich bei der Einbürgerung eines/-r Volksdeutschen
Es gab auch Ausnahmebestimmungen, die die kulturellen und ethnischen Verbindungen zwischen Österreichern und Volksdeutschen berücksichtigten. Am 19. Februar 1946 veröffentlichte Innenminister Oskar Helmer Richtlinien betreffend Repatriierungen von Heimatvertriebenen, wovon er jene ausnahm, die „aus altösterr. Familien stammen, bis zum November 1918 die österreichische Staatsbürgerschaft besessen und sie beim Untergang der österr.-ung. Monarchie verloren haben, wenn sicher gestellt ist, dass sie dem österr. Staate weder im Bezug auf öffentliche Fürsorge noch auf Unterbringung zu Last fallen werden und wenn ihre nächsten Verwandten, d.s. Eltern, Kinder, Enkelkinder und Geschwister, die österr. Staatsbürgerschaft besitzen.”16
Österreich versuchte also, die Frage der Heimatvertriebenen selektiv zu lösen. Bleiben dürfen sollten diejenigen, die sich aufgrund ihrer deutsch-österreichischen Abstammung sprachlich und kulturell problemlos in die österreichische Nachkriegsgesellschaft integrieren konnten. Hierbei dachte man in Österreich an die Sudetendeutschen aus dem südmährischen und südböhmischen Raum sowie an die Deutsch-Untersteirer. Diese drei Gruppen waren unmittelbar zu Kriegsende, also noch vor dem Potsdamer Protokoll, über die Grenzen nach Österreich vertrieben worden. Interessant ist nur, dass man zu diesem Zeitpunkt die Donauschwaben nicht zu den ethnischen Verwandten der Österreicher zählte. Sie sollten folglich allesamt nach Deutschland repatriiert werden. Wie man im Jahre 1946 im österreichischen Parlament über einen Teil der Heimatvertriebenen dachte, geht aus folgender Wortmeldung des Abgeordneten Franz Prinke (ÖVP) hervor: Wir alle wären froh, wenn ganz besonders die fremdsprachigen ausländischen Versetzten Personen aus Österreich verschwinden würden; die deutschsprechenden sind ja zum größten Teil bemüht, uns die fehlenden Arbeitskräfte zu ersetzen. Aber man muss uns natürlich die Möglichkeit geben, diese unerwünschten Elemente aus unserer Heimat abzuschieben.17
15 vgl. Gesetz vom 10. Juli 1945 über die Überleitung in die österreichische Staatsbürgerschaft (Staatsbürgerschafts-Überleitungsgesetz). Staatsgesetzblatt für die Republik Österreich, Jg. 1945, 14. Juli 1945, Stück 16, Nr. 40.
16 Bundesministerium für Inneres. Umsiedlungsstelle – Durchführungsrichtlinien vom 19. II. 1946. Zahl: 27.496/12U/1946. (Abschrift Faksimile Privatbesitz Wassertheurer)
17 Erwin Machunze, Vom Rechtlosen zum Gleichberechtigten. Bd. 1, S. 37.