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Haus der Heimat, Wien

Donauschwäbische Arbeitsgemeinschaft in Österreich (DAG)

Gleiche Rechte für gleiche Arbeit

Der Bereitschaft der österreichischen Politik, die Donauschwaben schlussendlich als gleichberechtigte Bürger zu akzeptieren, lagen Ursachen zugrunde, die im Rahmen der damaligen Zeit gesehen werden müssen. In Deutschland, wo der Marshall-Plan ein Wirtschaftswunder möglich machte, herrschte in arbeitsintensiven Bereichen wie Bergbau und Stahlindustrie bereits Arbeitskräftemangel. Die deutsche Wirtschaft brauchte billige Lohnarbeiter und warb Hilfskräfte aus dem Ausland an. Viele Heimatvertriebene wanderten aus Österreich ab und verdienten sich ihr Geld unterm Tag in Kohlengruben. Die österreichischen Behörden traten dieser Entwicklung mit Sorge entgegen, weil dem österreichischen Arbeitsmarkt dadurch dringend benötigte Arbeitskräfte verloren gingen. Um diesen Bedarf anhand von Zahlen deutlich zu machen, genügt ein Blick in die Akten. Schon am 2. Juni 1948 hatte Ferdinand Prirsch (ÖVP) im österreichischen Nationalrat eine Anfrage „betreffend Abhilfe des Arbeitermangels in der Landwirtschaft durch Zuführung von Arbeitskräften aus den Kreisen der ländlichen Bevölkerung und der ausländischen Flüchtlinge“ an Karl Maisel, Bundesminister für soziale Verwaltung, gerichtet. Prirsch bezog sich auf eine amtliche Statistik, nach der 1948 allein in der österreichischen Landwirtschaft ein Bedarf von 50.000 zusätzlichen Arbeitskräften bestand. Prirsch wollte daher wissen, welche Maßnahmen Maisel bisher zur Abdeckung dieses Arbeitskräftebedarfs unternommen hatte und welche Sofortmaßnahmen schon erlassen wurden, um „die eigene Versorgung mit Lebensmitteln durch eine gesicherte Erzeugung in unserer Landwirtschaft“ zu gewährleisten. Maisel nahm in seiner Beantwortung auch auf die Situation der Heimatvertriebenen Stellung und unterstrich die Notwendigkeit ihrer Arbeitsleistung für die Versorgung der österreichischen Bevölkerung.


Der Bedarf an Arbeitskräften in der Landwirtschaft besteht nach zwei Richtungen: einerseits hinsichtlich der ständigen Gesindekräfte (Knechte und Mägde), andererseits hinsichtlich der Saisonarbeiter, vor allem für die Rübenarbeiten und für die Erntearbeiten. Vorweg sei festgestellt, dass der Mangel an Arbeitskräften in der Landwirtschaft einen der Hauptgründe in der Abwanderung hat, die zu einem großen Teil auf die soziale Schlechterstellung der Landarbeiter gegenüber den Industriearbeitern zurückzuführen ist. Die Abwanderung in die Städte bzw. in die Industrie beschränkt sich leider nicht nur auf die Landarbeiter, sondern erstreckt sich mindestens im gleichen Maße auch auf die Bauernsöhne und Bauerntöchter. Es ist zu hoffen, dass die Auswirkungen des neuen Landarbeiterrechtes diesen Prozess der Landflucht verlangsamen und auf einen geringen Umfang zurückdrängen werden. Jedenfalls kann aber nicht erwartet werden, dass die Vermittlungstätigkeit der Landesarbeitsämter und Arbeitsämter allein den durch die Abwanderung entstehenden Ausfall an Arbeitskräften ausgleicht, um so mehr als den Arbeitsämtern Mittel, um Arbeitskräfte in die Landwirtschaft umzuleiten oder Arbeitskräfte vor der Abwanderung zurückzuhalten, praktisch nicht zur Verfügung stehen. Die Anwendung des Arbeitspflichtgesetzes wird aus durchaus verständlichen Gründen sowohl von den Arbeitgebern als auch von den Arbeitnehmern meist angelehnt, und die Arbeitsplatzwechselverordnung, deren Anwendung eine Abwanderung landwirtschaftlicher Arbeitskräfte wesentlich erschwert hat, ist am 31.Dezember 1947 außer Kraft getreten, so dass gegenwärtige die Besetzung von Arbeitsplätzen und die Annahme von Arbeit vollkommen frei dem Wunsch der Arbeitgeber und Arbeitnehmer überlassen ist.


Eine Einflussnahme auf den Arbeitsmarkt kann daher von den Landesarbeitsämtern und Arbeitsämtern nur im Wege der Belehrung und Beratung erfolgen, eine Lenkung der Arbeitskräfte nur dadurch, dass die sich meldenden Arbeitsuchenden in die Landwirtschaft vermittelt werden, soweit sie körperlich dazu geeignet und mit der Arbeitsannahme in der Landwirtschaft einverstanden sind. Das oben Gesagte gilt insbesondere hinsichtlich der fehlenden ständigen Gesindekräfte, die sehr schwer zu ersetzen sind, weil der gegebene Nachwuchs hierfür aus der landwirtschaftlichen Bevölkerung selbst kommen muss. Leichter ist der saisonmäßige Bedarf der Landwirtschaft zu decken, und auf diesem Gebiete ist es den Landesarbeiterämtern weitgehend gelungen, die notwendigen Arbeitskräfte zu beschaffen. Wesentlich erleichtert wurde dieser Vermittlungserfolg durch die über den Antrag des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom Ministerrat bewilligte Anwendung der so genannten Ortshilfe, d.h. der organisierten Erfassung aller verfügbaren Arbeitskräfte auf dem Land selbst unter Mitwirkung aller örtlichen Faktoren und durch die Gewährung von Lebensmittelprämien für Erntearbeiter (für Rübenarbeiter werden insbesondere Zuckerprämien gewährt), die nicht nur den ortsansässigen, saisonmäßig eingesetzten Arbeitskräften, sondern auch den aus Städten und Industriegebieten geworbenen Arbeitskräfte zukommen. Die Landesarbeitsämter haben auch mit Erfolg viele Arbeitskräfte, die vom Land in andere Berufe abgewandert waren, wieder in die Landwirtschaft zurückgeführt, und man ist weiter bemüht, auf diesem Wege Arbeitskräfte für die Landwirtschaft bereitzustellen.


Was insbesondere die Frage nach der Eingliederung der in Österreich befindlichen Flüchtlinge und Versetzten Personen in die Landwirtschaft anlangt, so ist dazu zu sagen, dass durch die Bemühungen des Bundesministeriums für soziale Verwaltung bzw. der Landesarbeitsämter und Arbeitsämter in engster Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Inneres und den Umsiedlungsstellen so gut wie alle arbeitsfähigen und arbeitswilligen Flüchtlinge und Versetzten Personen in Arbeit gebracht worden sind, darunter ein sehr großer Teil in der Landwirtschaft, und zwar nicht nur Personen, die selbst der Landwirtschaft entstammen, sondern auch Tausende von Angehörigen sonstiger Berufe. Die Zahl der solcherart in der Landwirtschaft eingesetzten Ausländer und Staatenloser beträgt über 68.000. Ein Teil der Versetzten Personen und Flüchtlinge, vor allem solche, die in den von nichtösterreichischen Stellen verwalteten Lagern wohnen, ist allerdings für die Arbeitsämter nur schwer erfassbar. Abschließend kann gesagt werden, dass auch weiterhin alle Mühe aufgewendet wird, um alle Personen, die noch als Arbeitskräfte für die Landwirtschaft in Betracht kommen, insbesondere auch aus dem Kreise der Flüchtlinge und Versetzten Personen, zu erfassen und der Landwirtschaft zuzuführen.28


Wie hoch der Anteil der Volksdeutschen in der österreichischen Wirtschaft zu diesem Zeitpunkt bereits war, lässt sich anhand folgender Zahlen ablesen: Das Landes-arbeitsamt Niederösterreich überreichte am 30. Juli 1949 der Umsiedlungsstelle der Niederösterreichischen Landesregierung ein Elaborat mit Angaben zu den Berufen und zur Beschäftigungssituation der Volksdeutschen in Niederösterreich. Demnach gaben 55,5% der Männer und 71,9% der Frauen eine landwirtschaftliche Tätigkeit als Beruf an. Nach den Beschäftigungszahlen vom März 1948 waren 59,8% der Männer und 72,3% der Frauen in der Landwirtschaft tätig. Ergänzt man die landwirtschaftliche Tätigkeit mit der Beschäftigung in der Forstwirtschaft und weniger qualifizierten Arbeitsbereichen wie Hilfsarbeit am Bau oder Haushaltshilfen, ergab das für die arbeitsfähige männliche Bevölkerung einen Anteil von 73%. Bei den Frauen lag er sogar bei 85%.29


Der hohe Beschäftigungsanteil der in Land- und Forstwirtschaft beschränkte sich aber nicht allein auf den niederösterreichischen Arbeitsmarkt, sondern lag auch in Wien je nach Zone zwischen 55% und 70%. Rechnet man der Landwirtschaft und dem Holzgewerbe noch die Tätigkeit in den Wiener Haushalten hinzu, erreichten die minder qualifizierten Beschäftigungen bei den Volksdeutschen im städtischen Raum Wiens eine Größenordnung von über 80%.30


Diese Angaben belegen, dass die Volksdeutschen bereits 1948/49 den österreichischen Arbeitsmarkt im Niedriglohnbereich dominierten. Hätte die öst-erreichische Politik ihre 1945/46 mehrfach bekundete Absicht, die Donau-schwaben und Siebenbürger Sachsen aus Österreich abzuschieben, wahr gemacht, wäre eine landwirtschaftliche Versorgung der Bevölkerung nicht mehr möglich gewesen. Und an diesem Zustand änderte sich bis 1950 nichts. Die Hoffnung, dass die Kriegsheimkehrer und die aus der Kriegsgefangenenschaft entlassenen Österreicher die Heimatvertriebenen ersetzten könnten, war eine Illusion, die sich nicht erfüllte. Arbeiten, die viele Österreicher nicht machen wollten, erledigte der volksdeutsche Heimatvertriebene. Der Stellenwert der Volksdeutschen in der österreichischen Arbeitswelt stand jedoch im eklatanten Widerspruch zur deren rechtlichen Lage als Staatenlose. Der Großteil der Volksdeutschen verfügte als Staatenlose nur über eine befristete Aufenthaltsgenehmigung, die mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses sofort erlosch. In der Frage der rechtlichen Anerkennung der Volksdeutschen kam abermals das zweischneidige Verhalten Österreichs zum Vorschein, das nach folgendem Grundsatz funktionierte: Die österreichische Staatsbürgerschaft gab man weiterhin nur denjenigen, den man unbedingt brauchte. Bei der Zuteilung der Staatsbürgerschaft zeigte sich ein deutliches Gefälle innerhalb der Volksdeutschen. Die größten Nutznießer der Ausnahmebestimmungen bei Verleihungen der österreichischen Staatsbürgerschaft waren die Sudetendeutschen. Während 1948 noch 113.648 Sudeten- und Karpatendeutschen über keine österreichische Staatsbürgerschaft verfügten, halbierte sich die Anzahl bis 1951 auf nur mehr einen Wert von 69.676 (61,3%) Personen. Im selben Zeitraum waren noch 139.539 Volksdeutsche aus Jugoslawien ohne österreichische Staatsbürgerschaft. Ihre Zahl sank bis 1951 auf 116.421 Personen (83,4%). Vergleicht man das Datenmaterial, so erhielten in den drei Jahren zwischen 1948 und 1951 insgesamt 43.972 (38,7%) Heimatvertriebene aus der Tschechoslowakei die österreichische Staatsbürgerschaft. Bei den Heimatvertriebenen aus Jugoslawien– die meisten waren freilich Donauschwaben – waren es lediglich 23.118 (16,6%) Personen.31


28 Erwin Machunze. Vom Rechtlosen zum Gleichberechtigten. Die Flüchtlings- und Vertriebenenfrage im Wiener Parlament. Bd. I. Die V. Gesetzgebungsperiode (1945-1949). Salzburg 1977, S.60-64.


29 Schreiben Landesarbeitsamt Niederösterreich vom 30. Juli 1949; Geschäftszahl IId 4060.


30 Schreiben Polizeidirektion Wien, Ausländeramt an das Bundesministerium für Inneres, Abteilung 12U vom 26. Juli 1949, Grundzahl 93.587-12U/49 mit Bezug zu Erlass Zl. 93.587-12U/49 vom 11. 07.1949.


31 Wilhelm Schließleder, Das österreichische Flüchtlingsproblem. Integration. München 1955, S. 176. zit. bei Erwin Machunze. Vom Rechtlosen zum Gleichberechtigten. Die Flüchtlings- und Vertriebenenfrage im Wiener Parlament. Bd. III. Die VII. Gesetzgebungsperiode (1953-1956). Salzburg 1977, S. 260.

Infografik: Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft 1948-1951

Weiterführende Links:


Staatsbürgerschaft und Staatsvertrag

Weg aus Österreich oder „Raus aus den Lagern“

Der deutsche Lastenausgleich und der Weg zum Kreuznacher Abkommen

Festigung und Neubeginn

Das neue Europa entsteht


Die DAG will Gerechtigkeit für die Donauschwaben

Ministerkomitee für die Behandlung von Flüchtlingsfragen

Gewerkschaftsbund für die Gleichbehandlung der Volksdeutschen