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Haus der Heimat, Wien

Donauschwäbische Arbeitsgemeinschaft in Österreich (DAG)

Gewerkschaftsbund für Gleichbehandlung der Volksdeutschen

Den entscheidenden Impuls zur arbeitsrechtlichen Gleichstellung setzte der „Österreichische Gewerkschaftsbund“ (ÖGB), der über die Arbeit von Sebastian Werni (Kap. 4) bestens zur Lage der Heimatvertriebenen informiert war. Werni vertrat im sozialistischen Lager Österreichs die Interessen der Heimatvertriebenen. Am 22. Dezember 1950 wurden die Mitglieder des volksdeutschen Beirats zu einer Unterredung in den ÖGB eingeladen, der auch Sektionschef Fritzer vom Innenministerium, Sektionschef Hammerl vom Bundesministerium für soziale Verwaltung, Johann Böhm als Präsident des ÖGB, Abg.z.NR Franz Olah als damaliger Vorsitzender der Gewerkschaft der Bau- und Holzarbeiter und Abg.z.NR Friedrich Hillegeist von der Gewerkschaft der Privatangestellten beiwohnten. Am Ende konnte in einem ersten Schritt vereinbart werden, dass die Vertreter der Gewerkschaften in der Frage der Notstandshilfe die Gleichberechtigung der Volksdeutschen befürworteten und einen entsprechenden Antrag des Sozialministeriums unterstützten. Eine grundsätzliche Einigung konnte auch in der Frage der arbeitsrechtlichen Gleichstellung erzielt werden, wobei man sich auf eine gemeinsame Ausarbeitung der dafür erforderlichen gesetzlichen und sozialpartnerschaftlichen Grundlagen einigte. Die Vorarbeiten beanspruchten einen Zeitraum von zwölf Monaten. Am 15. Dezember 1951 richtete dann Böhm ein Schreiben an Innenminister Helmer, in dem er zur Gleichstellung der volksdeutschen Arbeitnehmerschaft eine Liberalisierung der bestehenden gesetzlichen Bedingungen befürwortete:


Von der Interessengemeinschaft der Volksdeutschen Heimatvertriebenen in Österreich wurde an uns das Ersuchen heran getragen, der Österreichische Gewerkschaftsbund sollte sich mit der völligen arbeitsrechtlichen Gleichstellung der volksdeutschen Arbeiter und Angestellten mit den österreichischen Arbeitnehmern und dem Wegfall der bisher vorgeschriebenen Befreiungsscheine einverstanden erklären. Ich bin nunmehr in der Lage, Ihnen, sehr geehrter Herr Bundesminister, mitteilen zu können, dass der Gewerkschaftsbund den Wunsch der Volksdeutschen für berechtigt hält und ersuche ihre Gleichstellung so bald als möglich in die Wege leiten zu wollen.35


Bereits am 30. Jänner 1952 erließ Bundesminister Maisel einen Erlass an die Arbeitsämter, in dem er die arbeitsrechtliche Gleichstellung der Volksdeutschen anordnete und alle bisherigen Verordnungen, die lediglich einen beschränkten Zugang möglich gemacht hatten, aufhob:


Im Sinne des Ergebnisses der von Vertretern der volksdeutschen Flüchtlinge mit der Leitung des österreichischen Gewerkschaftsbundes gepflogenen Verhandlungen sehe ich mich veranlasst, gemäß §32 der Verordnung über ausländische Arbeitnehmer vom 23. Jänner 1933, DRGBl.I, S.26, folgendes zu verfügen:


Personen deutscher Staatszugehörigkeit, die staatenlos sind oder deren Staatsangehörigkeit ungeklärt ist (Volksdeutsche), werden, soweit sie vor dem 31. Dezember 1951 nach Österreich gekommen sind, mit sofortiger Wirksamkeit von der Anwendung der oben zitierten Verordnung ausgenommen. Die Ausnahme erstreckt sich auch auf jene volksdeutschen Flüchtlinge, die nach diesem Zeitpunkt aus der Kriegsgefangenschaft nach Österreich entlassen werden. Die volksdeutschen Flüchtlinge, die von der Anwendung der oben angeführten Verordnung ausgenommen werden, sind ohnehin den österreichischen Arbeitskräften hinsichtlich der Ausübung einer unselbständigen Beschäftigung im Allgemeinen gleichgestellt. Die hinsichtlich der Ausübung bestimmter Berufe in einzelnen Gesetzen, wie z.B. im Ärztegesetz, BGBl.Nr.92/1949, Apothekengesetz, BGB1.Nr.5/1907, Dentistengesetz, BGBl.Nr.90/1949, Hebammengesetz, BGBl.Nr.214/1925 und Krankenpflegegesetz, BGBl.Nr.93/1949, enthaltenen Sondervorschriften werden jedoch durch die Ausnahme der Volksdeutschen von der Anwendung der Verordnung nicht berührt. Für die Beschäftigung volksdeutscher Flüchtlinge, die vor dem 31. Dezember 1951 nach Österreich gekommen sind, ist daher künftighin die in der Verordnung über ausländische Arbeitnehmer vorgesehene Beschäftigungsgenehmigung des Arbeitsamtes nicht mehr erforderlich. Der Nachweis, dass es sich bei dem einzelnen Arbeitnehmer um einen Volksdeutschen handelt, ist durch die Identitätskarte des Volksdeutschen gegeben, wenn in der Rubrik „Staatsbürgerschaft“ der Vormerk „Volksdeutscher“ aufscheint. Der Arbeitgeber, der einen Volksdeutschen einstellen will, wird daher Einblick in die Identitätskarte nehmen müssen. Ist in der Identitätskarte der Vormerk „Volksdeutscher“ nicht enthalten oder ist die Richtigkeit der Eintragung zweifelhaft, so ist vom Volksdeutschen eine Bestätigung der für ihn zuständigen Umsiedlungsstelle darüber beizubringen, dass er dort als Volksdeutscher registriert ist. Die Weisungen bezüglich der Ausstellung solcher Bestätigungen sind vom Bundesministerium für Inneres bereits im Zusammenhang mit der seinerzeitigen Einführung von Befreiungsscheinen für die Volksdeutschen mit Erlass vom 7. März 1951, Zahl 48.114/120, ergangen.36


Wenige Monate später erfolgte im Dezember 1952 auch die rechtliche Gleichstellung der volksdeutschen Gewerbetreibenden. Das Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau erließ am 8. September 1952 einen Erlass, in dem festgehalten wurde, dass das Bundesgesetz vom 18. Juli 1952 BGBl.172 zur rechtlichen Gleichstellung der Volksdeutschen mit Inländern auch „auf die Gewerbeordnung Anwendung findet“ und Volksdeutsche damit „keiner Ausnahmebewilligung vom Erfordernis der österreichischen Staatsbürgerschaft im Sinne des §5 der Wandergewerbeverordnung“ mehr bedürfen.37


Die akademischen Berufsfelder sollten in gesonderten Gesetzen behandelt werden. Die DAG strebte eine Gleichbehandlung in allen Berufssparten an und erklärte sich bereit, „die Frage der donauschwäbischen Rechtsanwälte, Notare, Richter und der Juristen im Verwaltungsdienst“ bei den zuständigen Behörden vorzutragen und sich auch für die „Gleichstellung der donauschwäbischen Ärzte und ihre Zulassung zu den

Krankenkassen“ zu verwenden. 38


Schon am 30. April 1952 kam es im Innenministerium unter Teilnahme der Präsidenten der Rechtsanwalts- und Notariatskammer zu einer Aussprache mit dem Beirat der Volksdeutschen, bei der man sich mit der Zulassung von heimatvertriebenen Volksdeutschen zur Ausübung akademischer Berufe beschäftigte. Am 25. Juni 1952 wies der Nationalrat einen entsprechenden Entwurf der Bundesregierung dem Sozialausschuss zur Behandlung und Beschlussfassung zu. Machunze (vgl. Kap. 4) und Proksch stellten den Antrag, die Gleichstellung der Volksdeutschen am Arbeitsmarkt auf das freiberufliche Gebiet auszudehnen. Der entsprechende Gesetzesentwurf kam am 16. Oktober 1952 im Nationalrat zur Abstimmung – der Entwurf wurde einstimmig angenommen. Damit erreichten auch die volksdeutschen Rechtsanwälte eine Gleichstellung gegenüber ihrer österreichischen Kollegenschaft. Dasselbe Prozedere wiederholte sich bei der Zulassung volksdeutscher Ärzte. Auch hier war es wichtig, zunächst eine Einigung mit Vertretern der Ärztekammer zu erzielen, ehe ein Antrag an das Sozialministerium gestellt werden konnte.


Mit der arbeitsrechtlichen Gleichstellung war eine erste wichtige Forderung der DAG erfüllt worden, weil über die Eingliederung der Heimatvertriebenen in den Arbeitsmarkt die rechtlichen Grundlagen für weitere Schritte zur vollen Integration geschaffen werden konnten. Nach Aussage von Innenminister Helmer in der Arbeiter-Zeitung vom 9. Mai 1954 zählte das Wohnungsproblem zu den größten Herausforderungen, das es noch zu lösen galt, „um dem menschenunwürdigen Leben in den Baracken allmählich ein Ende zu bereiten.“ Der Minister wies aber darauf hin, dass Österreich „nicht imstande“ ist, die dafür notwendigen „Summen allein aufzubringen.“39


Die Haltung der österreichischen Regierung den Heimatvertriebenen gegenüber war neben den akuten Geldnöten von einem zweiten Motiv bestimmt worden. Als der Beirat für Flüchtlingsfragen am 27. Juni 1952 in einem Schreiben an das Innenministerium die Bundesregierung ersuchte, „den rund 4000 über 65 Jahre alten Angehörigen des öffentlichen Dienstes bzw. deren pensionsberechtigten Hinterbliebenen einen Vorschuss auf ihre Pension“ zu gewähren, wurde dieses Ansuchen vom Finanzministerium abgelehnt. In seiner Begründung teilte das Finanzministerium mit, dass eine Bevorschussung der erwähnten Pensionsansprüche aus Bundesmitteln nicht ins Auge gefasst werden kann, solange nicht zwischenstaatliche Vereinbarungen getroffen worden sind, die eindeutig eine Ersatzpflicht für geleistete Vorschusszahlungen zum Inhalt haben.40


Erst nachdem im September 1952 die Frage der Pensionen für volksdeutsche Bedienstete und die Anrechnung von Vordienstzeiten bei Verhandlungen in Bad Gastein und Salzburg zwischen Österreich und Deutschland bilateral geregelt werden konnten, erließ das Finanzministerium einen Erlass, nach dem künftig alle entsprechenden Anträge mit dem Vermerk „Der besondere Pensionsbeitrag gilt auf Grund zwischenstaatlicher Vereinbarung als entrichtet“ zu versehen waren. Die deutsche Bundesregierung in Bonn vertrat nämlich die Meinung, dass Österreich aufgrund seiner NS-Vergangenheit sehr wohl eine Verpflichtung gegenüber den volksdeutschen Heimatvertriebenen hatte und weigerte sich daher, die gesamten Lasten für die Heimatvertriebenen in Österreich übernehmen zu müssen. Wien dementierte diesen Standpunkt mit dem Hinweis, dass die volksdeutsche Frage ausschließlich eine deutsche Angelegenheit sei. Die Leidtragenden in diesem deutsch-österreichischen Konflikt waren die Heimatvertriebenen. Sie mussten oft Jahre auch solche Einigungen warten.


35 Schreiben ÖGB vom 15.12.1951, BÖ/O-zl. 9784-PB 257 bzw. z.Zahl 169.578 12U/1951

36 Abschrift: z.Zahl 34.516 12U/1952 (Z. III/13.844-7/1952)

37 Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau, Zl. 116.534-III-18/52 vom 6. Dezember 1952.


38 Protokoll, Arbeitsausschuss der DAG vom 10. Mai 1953, S. 9.


39 Innenminister Helmer über Flüchtlingsfragen. in: Arbeiter-Zeitung. Nr. 109, 9. Mai 1952


40 Einsichtsakt des Bundesministeriums für Finanzen, Zahl 55.520-23/1952. bzw. Schreiben Beirat an Innenministerium vom 26.07.1952 mit Zeichen Ra/Tro-Nr. 50.

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